NICHTS ÜBERSTÜRZEN
Warum für neue Liebe und neue Jobs nach der Trennung die gleichen Regeln gelten
Nach einer betriebsbedingten Kündigung oder Aufhebung starten viele nach dem Überwinden des ersten Schocks häufig direkt mit der Jobsuche und freuen sich über eine schnelle Anschlussbeschäftigung. Warum das nicht immer der beste Weg zu langfristigem beruflichen Erfolg und Zufriedenheit ist, verrät uns ausgerechnet die Beziehungsforschung.
Manchmal stürzen wir uns in Beziehungen und Jobs mit der gleichen Intensität, nur um festzustellen, dass nicht alles, was glänzt, von Dauer ist.
Eine repräsentative Online-Umfrage von XING im Juli 2023 ergab, dass 50% aller Deutschen ihren Job schon einmal innerhalb des ersten Jahres wieder gekündigt haben. Die Gründe sind vielfältig: Insbesondere ein als zu niedrig empfundenes Gehalt, die Unzufriedenheit mit der Führungskraft, und eine unpassende bzw. schlechte Teamkultur treiben Beschäftigte zur Kündigung innerhalb des ersten Jahres.
Aber auch die Unzufriedenheit mit den Arbeitsaufgaben, ein zu hohes Stresslevel, sowie zu viele Überstunden sind Auslöser für eine frühzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Für den ersten Job nach einer Entlassung oder Aufhebung ist das Risiko einer schnellen nächsten Kündigung besonders hoch. Denn viele nehmen nach dem überraschenden Jobverlust aus Unsicherheit einen Job an, der gar nicht zu ihnen passt.
Dein nächster Job sollte keine „Übergangspartnerschaft“ sein
Um das zu vermeiden, kannst Du von der Beziehungsforschung lernen. Nach einer Scheidung und Trennung einer langjährigen Beziehung neigen viele dazu, sich schnell einen neuen Partner zu suchen. Diese sogenannten ‚Übergangspartnerschaften‘ (in der Forschung auch ‚Rebound Relationships‘) haben einen schlechten Ruf. Zu Recht: Laut Studien zerbrechen 65% dieser Beziehungen innerhalb von 6 Monaten; die Wahrscheinlichkeit, dass sie länger als 2 Jahre halten, beträgt 19%.
Allerdings haben Forscher in den USA auch herausgefunden, dass es Menschen mit Übergangspartnerschaften deutlich besser ging als jenen, die sich nach einer schmerzhaften Trennung erst einmal als Single durchschlugen. Sie waren glücklicher, fanden sich selbst attraktiver und hatten ein höheres Selbstbewusstsein, und das nachhaltig. Zwar hatten sie weitaus mehr Kontakt zu ihrem alten Partner als die Singles, grenzten sich aber auch stärker von diesem ab und trauerten ihm seltener nach.
Nimm Dir Zeit für die Neuorientierung nach einem Jobverlust
Was kannst Du aus diesen Fakten für Deine berufliche Neuorientierung lernen? Zunächst einmal ist es wichtig, Dir bewusst zu machen, dass Du nach einer Entlassung oder Aufhebung nicht vorschnell den falschen Job annehmen solltest. Um das zu erreichen, sind zwei Schritte wichtig:
1. Finde heraus, welcher Job wirklich zu Dir passt
Wenn Deine finanzielle Situation es hergibt (z.B. dank Freistellung oder Abfindung), dann nimm Dir bewusst Zeit zu reflektieren, was für Dich der richtige nächste Schritt ist. Dazu gehört herauszufinden, was Dich antreibt (Deine Motive und Werte), was Du kannst (Deine Stärken), aber auch was im Moment für Dich wichtig ist (Deine Lebenssituation). Wir haben alle in unserem Berufsleben gelernt, Dinge zu tun, die uns nicht liegen, aber diese Kompensation kostet uns sehr viel Kraft. Und führt letztlich zu der Unzufriedenheit mit den Aufgaben, einem zu hohen Stresslevel und vielen Überstunden.
Warum nicht von vornherein versuchen, einen Job zu finden, der auf Deinen Stärken aufbaut, mit Deinem Wertesystem kongruent ist und Dich in einem gesunden Maß herausfordert. Nutz bei dieser Reflexion Vertrauenspersonen als Sparringspartner, idealerweise auch professionelle Anbieter oder Coaches, die häufig im Rahmen einer Abfindungsvereinbarung von Arbeitgebern bezahlt werden (steuerfrei!).
2. Lerne Deinen neuen Arbeitgeber gut kennen, bevor Du Dich an ihn bindest
Eine landläufige Weisheit lautet, dass Mitarbeiter wegen eines Jobs kommen und wegen eines Chefs gehen. Da ist etwas dran – der häufigste Grund für Kündigungen innerhalb des ersten Jahres ist laut XING Studie die Unzufriedenheit mit der Führungskraft (43% der Befragten). Also lohnt es sich, im Rahmen der Bewerbungsgespräche intensiv mit der zukünftigen Führungskraft in den Austausch zu gehen, zu Erwartungen, Arbeits- und Führungsstil und Zusammenarbeit.
Letztlich ist das Bauchgefühl entscheidend – auch die ‚Chemie‘ muss stimmen. Das gilt auch für Kollegen und ggf. Mitarbeiter: Ohne ein Kennenlernen solltest Du den Job nicht annehmen. Denn neben dem Check des persönlichen Fit gibt es Dir auch die Gelegenheit, ein Gefühl für die Unternehmenskultur zu bekommen.
Such Dir in der Übergangszeit Tätigkeiten, die Dir Bestätigung geben
Und noch etwas können wir aus der Forschung lernen. Es ist erwiesen, dass Menschen mit positiver und optimistischer Einstellung erfolgreicher im Job sind. Das gilt auch und insbesondere für die berufliche Neuorientierungsphase. Wer positiv und selbstbewusst in die Bewerbungsphase und in Vorstellungsgespräche geht, wird mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit die neue Traumrolle bekommen, als jemand der mit Selbstzweifeln und Frustration nach einem neuen Job sucht.
Wenn Rebound Relationships uns also nachweislich guttun und positive Emotionen bzw. Selbstbewusstsein erzeugen – warum sollte das nicht auch für Jobs gelten? Es muss ja nicht der nächste feste Job sein. Denk doch einmal darüber nach, während der Neuorientierung als Freelancer oder in einer Interim Rolle zu arbeiten. Oder vielleicht ein soziales Engagement anzunehmen.
Die dort erlebte Wirksamkeit und positive Bestätigung wird Dir mit Sicherheit einen positiven Schub für Deine Bewerbungen geben. Oder Dir vielleicht sogar aufzeigen, dass ganz andere berufliche Routen für Dich auf Dauer interessant sein könnten.
Zuerst veröffentlicht auf XING: https://www.xing.com/news/article/nichts-ueberstuerzen-warum-fuer-neue-liebe-und-neue-jobs-nach-der-trennung-die-g