ENTLASSUNGEN BEWÄLTIGEN
So gehen Unternehmen professionell mit Trennungen um
Manchmal lassen sich Entlassungen einfach nicht vermeiden. Dann ist es umso wichtiger, sicherzustellen, dass daraus keine Abwärtsspirale für Mitarbeitermotivation und -qualität entsteht. Wie Unternehmen die Krise souverän bewältigen können, lehrt uns unter anderem auch die Trauerforschung.
Gespannte Stille erfüllt den Konferenzraum, als die Geschäftsführerin das Wort ergreift. Eine merkwürdige Mischung aus Erwartung und Angst. Allen ist klar, dass diese spontan einberufene Sitzung der gesamten Belegschaft nichts Gutes bedeutet. „Liebe Kolleginnen und Kollegen“, beginnt sie leise, „ich möchte heute mit Ihnen über eine wichtige Entscheidung sprechen, die das Unternehmen treffen musste ...“
Kostensteigerungen, Finanzierungsprobleme oder Digitalisierung machen derzeit in vielen Unternehmen Restrukturierungen und kurzfristige Einsparprogramme notwendig. Die häufig damit einhergehenden Entlassungen zu planen und durchzuführen gehört sicherlich zu den schwierigsten Situationen für eine Führungskraft. Nicht wenigen bescheren der Prozess und die emotionalen Gespräche schlaflose Nächte. Für Unternehmen ist die Kostenreduktion oft teuer erkauft.
In früheren Berater- und Managementrollen haben wir leider häufig erlebt, dass Entlassungen zu großer Verunsicherung und Motivationsproblemen bei den verbleibenden Mitarbeitern führen, wodurch Unternehmenskultur und Employer-Brand nachhaltig Schaden nehmen. Dabei muss das nicht so sein! Vier Faktoren sorgen dafür, dass betroffene und verbleibende Mitarbeiter den notwendigen Einschnitt nicht nur rational, sondern auch emotional verarbeiten und akzeptieren und nach einer überschaubaren Zeit wieder optimistisch und motiviert nach vorn schauen können:
Professionelle Planung und Vorbereitung
Empathische und transparente Kommunikation
Zulassen einer Trauerphase mit wertschätzenden Abschiedsritualen
Aktive Unterstützung für betroffene und bleibende Mitarbeiter
1. Professionelle Planung und Vorbereitung bilden das Fundament
Auch wenn es dringend ist, sollten Entlassungen keine Hauruck-Aktion sein. Auswahl der Betroffenen sowie Abfindungsangebote beziehungsweise ein Sozialplan sollten gründlich abgewägt, von Arbeitsrechtlern geprüft und mit Mitarbeitervertretern abgestimmt sein. Auch Alternativen gilt es zu betrachten: Möglicherweise sind gar keine betriebsbedingte Kündigungen mit Sozialauswahl nötig. Oft lassen sich die nötigen Einsparungen über ein Freiwilligenprogramm mit Sprinterprämien deutlich weniger schmerzhaft für alle Beteiligten umsetzen. In diesem Fall ist es besonders wichtig, Mitarbeitern ein attraktives Angebot zu machen. Neben einem fairen Abfindungsfaktor kann das auch ein attraktives Outplacement-/Weiterbildungsangebot oder -Budget sein.
2. Kommunikation ist alles
Wie immer ist es nicht mit der Vorbereitung getan – besonders entscheidend ist bei Entlassungen die Kommunikation. Aus vielen positiven wie negativen Erfahrungen habe ich einige Dos und Don’ts zusammengestellt:
Das ist wichtig:
Die Geschäftsführung kündigt klar und transparent die Notwendigkeit für Einsparungen bei Personalkosten und erläutert konkret die nächsten Schritte.
Die betroffenen Mitarbeiter sollten möglichst gleichzeitig/zeitnah nacheinander informiert werden.
Idealerweise werden betroffene Mitarbeiter in persönlichen Gesprächen informiert.
Personalverantwortliche oder Führungskräfte, die die Gespräche führen, bereiten sich intensiv auf die Gespräche vor, idealerweise machen sie ein Gesprächstraining mit einem auf Trennungsmanagement spezialisierten Coach.
Und so bitte nicht:
Mitarbeiter sollten Entlassungen nicht über die Presse erfahren.
Zwischen Ankündigung und konkreter Information der betroffenen Mitarbeiter sollte nicht zu viel Zeit liegen.
Eine Information per E-Mail an die Betroffenen ist inakzeptabel.
Bitte keine Information am Freitagnachmittag, vor Feiertagen oder Ferien. Mitarbeiter sollten die Chance haben, sich über die Neuigkeiten auszutauschen, um den ersten Schock zu verarbeiten.
3. Nicht nur die Entlassungen planen, sondern auch die Zeit danach
Häufig ist bis zum Zeitpunkt der Kommunikation alles generalstabsmäßig geplant, und dann wird erwartet, dass alle wieder zu „business as usual“ übergehen. Manchmal vergessen wir vielleicht, dass wir mit Menschen arbeiten und nicht mit Maschinen. Und für Menschen ist so ein Ereignis ein traumatisches Erlebnis. Nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Verbleibenden. Es ist wichtig, sich das bewusst zu machen, um den Raum für die emotionale Verarbeitung schaffen zu können.
Aus der Trauerforschung wissen wir, dass nach einem Verlust zunächst eine Phase der Schockstarre eintritt. Wenn ganze Unternehmen in eine solche Schockstarre verfallen, führt dies zu einem Stillstand, der einen wirtschaftlichen Schaden verursachen kann, insbesondere wenn er lange anhält. Trauerarbeit ist die Leistung, nach einer kritischen Situation wieder eine Normalität herzustellen, in der Betroffene mit erlernten Mustern agieren können. Die Erkenntnisse der Trauerforschung lassen sich durchaus auch auf Unternehmen übertragen.
Die nach Entlassungen verbleibenden Mitarbeiter trauern über den Verlust liebgewonnener Kollegen, ebenso wie über das verlorengegangene Sicherheitsgefühl oder Vertrauen in das Management. Um das Vertrauen wiederherzustellen, ist es besonders wichtig, dass das Management starke Zeichen der Wertschätzung für Mitarbeiter setzt. Dazu gehört einerseits ein souveräner Abschied von den entlassenden Mitarbeitern aber auch klare Signale der Unterstützung für die Betroffenen.
Gemeinsame Rituale und Zeremonien geben Halt und erleichtern den Abschied
Meist werden betroffene Mitarbeiter sofort nach der Kommunikation freigestellt. Um potentiellen Schaden durch spontane Sabotageakte zu vermeiden, werden sofort alle Systemzugänge gesperrt. Für Mitarbeiter, denen das Unternehmen oft jahrelang Vertrauen geschenkt hat und die sich mit großem Engagement für die Unternehmensziele eingesetzt haben, fühlt es sich dann an, als wären sie plötzlich in Ungnade gefallen und würden mit großem Undank vom Hof gejagt. Auch die Verbleibenden nehmen das wahr und fragen sich, ob es ihnen demnächst genauso gehen wird? Ihre Loyalität zum Unternehmen bekommt an dieser Stelle einen schweren Knacks.
Warum nehmen so wenige Unternehmen die Gelegenheit wahr und organisieren eine dedizierte Abschiedsveranstaltung für die ausscheidenden Mitarbeiter? Ein paar Dankesworte, ein kleines symbolisches Geschenk und ein letzter gemeinsamer Umtrunk – das kostet zwar Geld und Überwindung, und sicher werden auch Tränen fließen, aber die positiven Effekte auf Motivation, Kultur und Loyalität sind unbezahlbar.
4. Auch aktive Unterstützung beim Neustart ist wichtig
Für die ausscheidenden Mitarbeiter startet eine herausfordernde Phase der beruflichen Neuorientierung. Sie kann große Chancen beherbergen, allerdings braucht es häufig professionelle Hilfe, um diese Chancen wirklich zu realisieren. Angefangen mit der emotionalen Stabilisierung, der Reflexion über Stärken und Ziele bis hin zur konkreten Jobsuche/Bewerbung oder auch dem Start in die Selbständigkeit – erfahrene Coaches oder Outplacement-Angebote können in dieser Phase Sicherheit vermitteln und helfen, die optimalen nächsten Schritte zu gehen.
Auch für bleibende Mitarbeiter kann aktive Unterstützung hilfreich sein. Entweder durch Führungskräfte oder auch durch begleitende Coaches müssen neue Teamkonstellationen und Prozesse etabliert, Vertrauen wieder aufgebaut und neue Kulturelemente etabliert werden – mit dem Ziel, wieder gemeinsam motiviert und optimistisch an der Zukunft des Unternehmens zu arbeiten.
Das wirkt nicht nur nach innen positiv, sondern auch nach außen auf die Employer Brand. Mitarbeiter, die sich gewertschätzt fühlen und die ein verantwortungsbewusstes Management wahrnehmen, werden ihr (ehemaliges) Unternehmen viel eher als Arbeitgeber weiterempfehlen und sich positiv über das Unternehmen äußern.